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Channel: Daniel Bröckerhoff » Netzpolitik
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JMStV: Drei Gründe, warum der Netz-Protest so schwer fällt

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Nein, man kann wirklich nicht sagen, dass dieses Ding namens “Änderungen am Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV)” überraschend kommt: Seit Monaten frickeln die Staatskanzleien am Text herum. Und man kann auch nicht sagen, dass nicht gewarnt worden wäre: Netzaktivisten wie Markus Beckedahl oder Alvar Freude mahnen seit Bekanntwerden des ersten Entwurfs. Warum also hat es so lange gedauert, bis das Netz aufgewacht ist? Hier drei Gründe…

Grund 1: Es gibt keinen klaren Gegner

Was beim Zugangserschwerungsgesetz noch so schön einfach war, ist beim JMStV ein echtes Problem: Es gibt keinen klaren Gegner. Niemanden, der versucht, sich politisch mit dem Thema “Jugendschutz im Internet” zu profilieren und den man für seine kläglichen Versuche ausbuhen, auslachen oder niederbrüllen könnte.

Denn so furchtbar Ursula von der Leyens Profilierungsversuche und ihr ständiges Jonglieren mit erfundenen Zahlen über den großen Kinderporno-Markt im Internet waren: Das Wortungetüm “Zugangserschwerungsgesetz” bekam dadurch ein Gesicht, wurde personalisiert und so tauglich für den Massenprotest.

Beim Thema JMStV dagegen herrscht ungewohntes Schweigen im Politikerwald. Das liegt vermutlich an zwei Gründen:

  1. Jugendschutz ist Ländersache.
    Somit können sich bundesdeutsche Politiker nur noch schwerlich in die Verhandlungen zum JMStV einmischen. Die A-Riege unserer Politiker ist damit aus dem Spiel. Aber noch viel wichtiger…
  2. Die Politiker haben Angst vor einem zweiten Zensursula-Debakel.
    Das sagte mir Thomas Jarzombek, CDU-Bundestagsexperte für Netzfragen, bereits im Februar diesen Jahres, als ich ihn für einen ZEIT Online-Artikel interviewte. Sein Wortlaut damals: “Wir haben kein Interesse an einer weiteren Zensursula-Debatte. Da haben wir viel Lehrgeld bezahlen müssen.”

Im Klartext: Statt lautstark mit dem Vertrag um Wählerstimmen zu werben, wird der JMStV (relativ) still und heimlich durch die Staatskanzleien und Länderparlamente gereicht. In der Hoffnung, dass keiner so richtig merkt, was da passiert.

Doch in der Gewissheit: Wenn wieder eine Debatte um den Jugendschutz im Internet losgeht, kann man mit dem aktualisierten Vertrag seinen guten Willen zur Änderung belegen. Auch wenn der Vertrag nichts taugt.

Grund 2: Es gibt keine klare Auslegung

“Zwei Anwälte – drei Meinungen” – auf wenig Gesetzesentwürfe trifft diese Binsenweisheit so gut zu wie auf die geplanten Änderungen im JMStV. Was genau der Vertrag vorschreibt, was zu tun, was zu lassen ist – die Netzexperten streiten seit Monaten lustig miteinander.

Und auch nach stundenlanger Beschäftigung mit dem Thema bin ich mir immer noch unsicher, was denn ab dem 1.1.2011 tatsächlich Pflicht ist und was mir bei Nicht-Beachtung droht.

Dieses Auslegungsproblem führt wiederum zu…

Grund 3: Es gibt keinen klare Haltung zu den Folgen

Während die einen die totale Web-Apokalypse herbeischreiben, wägen die anderen ab und steigen auf die Hysterie-Bremse. Während Lawblogger Udo Vetter meint: “Dilletantisches Gesetz, wird aber nie zur Anwendung kommen” warnen Stefan Engeln und viele andere: “Katastrophales Gesetz und katastrophal, es zu verharmlosen”

Doch solange sich die betroffene Blogosphäre in den Haaren liegt, wie das Gesetz zu verstehen ist und welche Auswirkungen es haben könnte, wird es schwierig bis unmöglich eine gemeinsame Linie zu finden. Zwischen Halb-so-wild-wird-schon-nix-passieren und Totale-Katastrophe-ich-mach-meinen-Blog-zu! liegen Welten. Und ohne gemeinsame Linie, keine gemeinsame Aktion.

Die versammelten Unsicherheiten hat Udo Vetter übrigens hier zusammengetragen.

FAZIT

Was beim Zugangserschwerungsgesetzt hervorragend funktioniert hat, will beim JMStV einfach nicht greifen: Das gemeinsame Streiten für den gemeinsamen Zweck.

Es gibt keinen Feind, gegen den man polemisieren kann, es gibt keine klare Auslegung, was auf die Netzaktiven zu kommt und wie problematisch diese Änderungen werden können.

Zwar ist die Netzgemeinde in den letzten Tagen aufgewacht, nachdem Karsten Kris Koehntopp seinen Blog abgeschaltet hat und auch die Jungs vom VZlog.de angekündigt haben, ab dem 31.12.2010 nicht mehr weiter bloggen zu wollen.

Doch die große Aktion gegen ein Gesetz, das im besten Fall als unbrauchbar zu bezeichnen ist, mit dem sich aber Politiker gegenüber Nicht-Informierten als Jugendschützer profilieren können, lässt auf sich warten.

Und ehrlich gesagt glaube ich auch, dass es dafür zu spät ist. Obwohl sich jetzt vermehrt große Verbände einschalten und die Landesparlamente dazu auffordern, den JMStV zu stoppen. Die Änderungen im Namen des Jugendschutzes sind so gut wie beschlossen.


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